Rede zum Haushalt 2021/2022

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,

Sehr geehrte Ratsfrauen und Ratsherren,

Sehr geehrte Damen und Herren,


Ein Haushalt ist wie ein Businessplan. Mit einem Businessplan wird ausgewiesen, welche Ziele für den Planungszeitraum erreicht werden sollen und welcher Mitteleinsatz für erfolgreiches Umsetzen dazu jeweils zur Verfügung steht.

Am Ziel Klimaschutz zeigt sich exemplarisch, was im Haushaltsplan annähernd überall fehlt. Es ist das Handlungsfeld Klimaschutz. Eine einfache Suche nach den Begriffen Klima und Klimaschutz im ersten Entwurf des Haushaltes brachte weniger als 10 Treffer auf 567 Seiten zu Tage. Ein Haushaltsentwurf im Jahre 2021 darf Klimaschutz nicht nur in eine unbestimmte Zukunft verlegen, ohne sich den Anforderungen der Gegenwart zu stellen. Klimaschutz muss hier und jetzt passieren und sich in allen Belangen des Business wiederfinden.

In der Diskussion um das ISEK Programm konnten wir uns mit allen politischen Kräften darauf einigen, dass die Querschnittsaufgabe Klimaschutz für eine „klimafreundliche“ Gemeinde Swisttal in das Leitbild zu den Handlungsfeldern der Kommune aufgenommen werden konnte. Leider scheiterte die Übernahme dieses bereits ausführlich diskutierten Leitsatzes als Handlungsfeld und in den Prioritäten für die Haushaltsansätze.

Der von der Verwaltung vorgelegte Entwurf zum Haushalt beinhaltet zwar wichtige Bausteine zum Abbau von Entwicklungsstau und zur zukunftsoffenen Gemeindeentwicklung. Es fehlt aber an Mut zur Umsetzung des Entwicklungsleitbildes mit Mitteln des Haushalts. Kennzahlen in den einzelnen Bereichen des Haushaltes, die den Klimaschutz wiedergeben, fehlen völlig, obwohl das Versprechen im Raum steht, besonders die Belange von Klimaschutz und Klimawandel in der kommunalen Planung zu berücksichtigen. Wie soll etwa ein Vorhaben zustimmungsreif sein, für das keine Bilanz der beabsichtigten Verbesserungen vorliegt? Wie über eine neue Lüftungsanlage für die Turnhallen in Heimerzheim entscheiden, wenn die energetische Qualität und die CO2-Last nicht nachzuvollziehen sind.

Ebenfalls in diesen Zusammenhang gehört der Ausbau klimaneutraler Mobilität. Wenn aber die ursprünglich im Haushalt 2019/2020 eingestellten Mittel von über 900T€ für die Umsetzung des Konzeptes zum Radverkehr im Alltag nicht übertragen oder neu veranschlagt werden, da bis heute keine der größeren Maßnahmen umgesetzt wurden und letztlich bei rund 350T€ für die Umsetzung von 2 Kreisverkehren für vornehmlich den PKW-Verkehr in 2023 enden, dann fehlt uns auch hier der Glaube an einen tatsächlichen Willen zur Förderung des Alltagsradverkehrs. Wer sich in der politischen Diskussion 2021 noch immer das Thema „Klimaneutralität“ erklären lassen möchte, sollte eventuell überlegen, ob die Zeichen der Zeit richtig gedeutet werden und der Prioritätenzettel nicht doch geändert gehört.

Nein, die 7-Meilen-Stiefel müssen jetzt angeschnallt werden. Bei Klimaschutz und Klimawandel können wir nicht abwarten und meinen daran sparen zu können. Denn einerseits werden die absehbaren Entwicklungen nicht auf uns warten. Andererseits hilft Klimaschutz gerade etwa beim Senken der Bewirtschaftungskosten von Gebäuden. Klimaschutz macht nicht Halt vor verschobenen Prioritäten. Klimaschutz ist kein Luxus, kein „nice to have“, sondern das beste Mittel, um den bereits spürbaren Klimawandel zu begrenzen und Folgekosten durch spätere Sanierungen oder Umbauten und hohen Bewirtschaftungsaufwand zu vermeiden. Das gilt sowohl für Neubauten als auch für Bestands­gebäude und die sich verändernden Rahmenbedingungen für Mobilität. Nicht zuletzt ist Klimaschutz auch ein probates Mittel zur Förderung von Handwerk, Land- und Forstwirtschaft und Tourismus.

Die Schullandschaft in Swisttal muss für eine gute Zukunft der Gemeinde vervollständigt und dem Bedarf angepasst werden. Mit dem Bau der Gesamtschule und dem Ausbau der bestehenden Grundschulen werden hier die richtigen Grundlagen gelegt und Defizite abgebaut. Schule muss aber über das reine Bauvorhaben hinaus als Ort verstanden werden, der alles bietet, was Schüler*innen zu einer gesunden Entwicklung benötigen. Die Aspekte sind vielfältig. Zu einem gesunden Leben gehört beispielsweise auch ein gesundes Schulessen, eingenommen in einer wohltuenden Atmosphäre, Bewegungsflächen im Innen- und Außenraum, lärmfreie Zonen zur Entspannung, ein gutes Lüftungs- und Raumkühlungskonzept für die Schule, viel Tageslicht, gesunde Baumaterialien und vieles mehr. Nicht zuletzt sollte ein heutiger Neubau die Anforderungen von Präsenz- und Distanzunterricht berücksichtigen und neben guter Lüftung/Kühlung ausreichend mit digitalen Unterrichtsmitteln ausgerüstet sein. Zu einem Neubau in den 2020er Jahren gehört auch der Einsatz erneuerbarer Energieträger und Regenwassernutzung als Vorgaben für Bau und Betrieb bei absehbarer Zunahme des Energieverbrauchs. „Schule ist im Umgang mit Umwelt und Technik ein Vorbild“. Um den ökologischen Fußabdruck des Gebäudes möglichst gering zu halten, sollte eine Konstruktionsweise gewählt werden, die den Energieverbrauch während der Erstellung, der Nutzung und dem späteren flexiblen Um- oder Rückbau des Gebäudes möglichst minimiert. Zusätzlich gehören Anlagen zur effizienten und erneuerbaren Energieerzeugung zur Verbesserung des ökologischen Fußabdrucks und können als Anschauungsmaterial in das pädagogische Konzept eingebunden werden. Letztlich sind der Neubau der Gesamtschule Swisttal und die multifunktionale Grundschule in Odendorf Projekte mit Vorbildfunktion für die Gestaltung von Gebäuden im Gemeindegebiet und darüber hinaus.

Dabei gilt es den Erhalt und die Sanierung von kommunalen Bestandsgebäuden nicht zu vernachlässigen. Von den sieben zu sanierenden Heizungsanlagen ist nur noch eine übrig geblieben. Die letzte Ölheizung ist nicht in Angriff genommen. Die bestehende Heizungsanlage aus Hackschnitzelheizung und Gastherme im Rathaus verdient besondere Beachtung. Hier kann der fossile Anteil so weit gesenkt, beziehungsweise der erneuerbare Anteil bei den Hackschnitzeln und/oder Solarthermie zur Gasheizungsunterstützung erhöht werden, dass ein klimaneutraler Betrieb des Gebäudes insgesamt möglich wird. Auch diese Maßnahme hätte Vorbildcharakter für Bestandsgebäude.

Im Umgang mit der Pandemie haben wir gesehen, was passiert, wenn das Handeln nicht geleitet wird, von dem was uns die Wissenschaft sagt. Und die Wissenschaft zum Klimawandel mahnt uns schon seit längerem zum Handeln.

Gerne greifen wir die Forderung der Verwaltung zum Thema Fördermittel auf „Wenn Sie da was sehen, reichen Sie uns das ein und wir prüfen das.“ Zumindest hier konnten wir in einem ersten Schritt 15T€ für ein Pilotprojekt beim Ausbau der Photovoltaik auf gemeindeeigenen Dächern in den neuen Haushalt einstellen. Immerhin steht eine Nutzfläche von insgesamt mehr als 3.500 m² zur Verfügung, die bisher nicht zur Energiegewinnung genutzt werden. Daher kann Photovoltaik deutlich mehr ausgebaut werden.

Der vorgelegte Businessplan erhöht die Verschuldung auch in den Folgejahren. Die Weichenstellung für den Abbau von Defiziten im Schulsektor unterstützen wir. Aber mit klimaneutralen Neubauten, sicheren Schulradwegen und was sonst zu einem attraktiven Alltagsradverkehr gehört. Im Bestand geht es um Substanzerhaltung, Effizienz und erneuerbaren Umbau bei der Energieversorgung. Nicht zuletzt werden Radverkehr und ÖPNV immer wichtiger. Hierbei ohne Umsetzungserfolge zu bleiben, vergrößert den Sanierungs- und Entwicklungsstau in der Zukunft immer weiter. Es wird verlagert, was heute in Angriff genommen werden muss und kann. Wer heute verschiebt, überschreitet später sein Zeitkonto.

Klimaschutz ist keine Kür, sondern kommunale Vorbildaufgabe. Natürlich freuen wir uns als Bündnis90/Die Grünen darüber, wenn wir durch den vorgelegten Haushalt in 2022 die Haushaltssicherung trotz immenser Investitionen verlassen können. Nur was nützt uns der vorerst einmalig ausgeglichene Haushalt und die „heilige“ schwarze Null, wenn wir bei den Maßnahmen zur Sicherung unserer Zukunft hinterherhinken. Dem Anspruch, Kurshalten ohne Zielpeilung, können wir nicht folgen.

Diesem Haushalt fehlt es an zu Vielem, vor allem fehlt es an Perspektive und Gestaltungsmut in schwierigen Zeiten. Der Handlungsspielraum für die ersten Jahre nach der Haushaltssicherung ist bereits mit diesem Haushalt schon wieder verplant. Daher können wir diesem Haushalt für die Jahre 2021 und 2022 in seiner Gesamtheit nicht zustimmen.

Denn wir müssen endlich Zukunft gestalten, statt die Gegenwart in Swisttal mit veralteten Prioritäten zu verwalten, wir müssen verändern statt versprechen. Wir brauchen ein gesellschaftliches Bündnis für eine Transformation, zu dem wir hier und heute alle politischen Kräfte in Swisttal herzlich einladen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

Johanna Bienentreu / Stephan Faber
Fraktionsvorsitzender Bündnis90/Die Grünen

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